Otto Roos, Büste von Dr. Hans Huber, 1921, 55.5 cm, Bronze gegossen
Foto Nachlass des Künstlers
Am 5. November 1922 findet im Basler Konservatorium, der heutigen Hochschule für Musik Basel, eine Feier statt, in deren Mittelpunkt die Einweihung der Hans-Huber-Büste von Otto Roos steht. Noch heute gehen alle Studierenden und Lehrkörper, die von der Leonhardsstrasse her die Cafeteria betreten, daran vorüber.
Hans Huber, 1852 in Schönenwerd geboren, lebte seit 1877 in Basel. Er war Mitbegründer des Konservatoriums, der ersten Berufsschule für Musik in der deutschsprachigen Schweiz, und stand ihm von 1905-1917 als dessen erster Direktor vor.
Seit Längerem schon hegten Verehrer den Wunsch, sich in Würdigung seiner Verdienste für die Institution für eine Büste des Komponisten einzusetzen:
Lange schon war von einer Porträtbüste Dr. Hubers die Rede gewesen. Gesundheitsrücksichten des Meisters und seine Arbeiten haben den Beginn der Büste immer wieder verzögert. Nicht zuletzt hat wohl seine geheime Scheu vor den Sitzungen dazu beigetragen, die Sache so lange hinzuhalten.
Eine Fotografie der Gipsbüste im Nachlass des Künstlers ist rückseitig auf 1919 datiert.
Otto Roos, Büste von Dr. Hans Huber, 1921, Gips und Rückseite der Fotografie
Fotos Nachlass des Künstlers
Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass Roos schon zu diesem Zeitpunkt an dem Auftrag gearbeitet hätte. Wahrscheinlich gehen aber erste Pläne zur Umsetzung auf jenes Jahr zurück – so dass sich Roos berechtigt fühlen mochte, die Arbeit auf 1919 zu datieren.
Nachweislich kann Roos den Komponisten erstmals im Sommer 1921 in Vitznau, wo sich Hans Huber seit Beginn des Jahres aufhält, besuchen. Huber stimmt zu, sich Ende November in Locarno für Sitzungen bereit zu halten.
Roos ist entschlossen, mit dem Geld, das Freunde des Komponisten für die Schaffung einer Büste gespendet haben, den Auftrag endlich in Angriff zu nehmen. Allerdings verschlechtert sich mit der Übersiedelung von Vitznau nach Locarno die Gesundheit des Musikers. Eine schwere Gemütsdepression hatte sich seiner bemächtigt. Als Roos ihm am 2. November schrieb:
Gegenwärtig bin ich daran, meinen Bündel zu packen, um mich nach dem sonnigen Tessin aufzumachen, im Herzen eine Arbeit und mit der Hoffnung, diese Büste jetzt schaffen zu dürfen. Ich reise, wenn nichts dazwischen kommt, Anfang nächster Woche nach Locarno und ich werde dann einmal bei Ihnen anklopfen, wenn ich darf?
ist seine – im Wortlaut nicht überlieferte – Antwort für ihn nach eigenem Bekunden recht entmutigend.
Ich entschloss mich trotzdem zu reisen. Ein Versuch wenigstens sollte unternommen werden.
Roos reiste indes wohl schon am Freitag oder Samstag nach Locarno, denn
[g]leich am ersten Abend traf ich ihn auf seinem gewohnten Abendspaziergang unter den Arkaden der Piazza Grande an. „Ich komme dann am Montag, sobald Sie eingerichtet sind; am Ende der Woche fängt man eine solche Arbeit nicht mehr an“ war das launige Abschiedswort.
Roos richtet sich „in der ehemaligen Hauskapelle des alten Palazzo von Muralto“ – gemeint ist vermutlich das nur noch rudimentär erhaltene Castello dei Muralti – ein Atelier ein. Um sich vor Ort an die Arbeit machen zu können, schafft er Tonerde, eine Modellierscheibe, einen Modellierbock und Parisergips herbei. – Und wartet auf den Besuch des Komponisten.
Es wurde dann Donnerstag bis er zur ersten Sitzung erschien.
Die erste Sitzung findet demnach am 10. November 1921 statt.
Schon am ersten Tage hatte er mir erklärt: „Ich habe immer etwas du denken. Sie brauchen sich während der Sitzungen gar nicht um mich zu kümmern.“ Damit war sofort der Kontakt hergestellt zwischen uns. In der Folge haben wir nie geredet miteinander während der Sitzungen.
So recht scheint der Sitzende aber noch nicht bei der Sache zu sein. Am 17. November 1921 schreibt er an seine Sekretärin, Frl. Gertrud Preiswerk:
Ich sitze mit aller Geduld heute schon zum 2ten Male, aber in meinem Körper und meinem Innern sitzt es noch nicht recht.
Danach, so Roos,
besserte sich seine Gesundheit so erfreulich, daß er in der Folge täglich gegen 11 Uhr bei mir zugegen sein konnte.
Es entsteht eine Reihe von Zeichnungen, die Roos als Vorlage für die dreidimensionale Umsetzung in Tonerde dienen. Zwei davon, vermutlich beide in der letzten Sitzung entstanden, wären ohne entsprechende Beschriftung überhaupt nicht als Porträts von Hans Huber erkennbar – so sehr muss sich der Komponist krankheitsbedingt verändert haben.
Otto Roos, Dr. Hans Huber, 9. Dez. 1921, Negrostift, 36.4 x 24.7 cm. Erbengemeinschaft Ott0 Roos
Fotos Selina Spatz und Bettina Thommen
Die übrigen im Nachlass des Künstlers befindlichen Zeichnungen wirken vergleichsweise idealisiert und wecken gar den Verdacht, sie könnten nach einer Fotografie aus besseren Tagen entstanden sein –
– die dann auch die wahre Vorlage der Büste gewesen wäre!?
Otto Roos, Dr. Hans Huber, 1921, 4 Zeichnungen, Tuschfeder. Erbengemeinschaft Otto Roos
Fotos Selina Spatz und Bettina Thommen
Roos „war von Anfang an klar, daß sich meine Arbeit in einer kurzen Zeitspanne abwickeln mußte, … und die Arbeit an der Büste konnte innerhalb fünf Wochen so gefördert werden, daß ich sie am 9. Dezember in Gips gießen konnte.“
Otto Roos, Dr. Hans Huber, 1921, Gips, 55.5 cm. H. Rüetschi AG, Aarau
Foto Simeon Jankovic
Von den Fr. 800.-, die Roos für die Arbeit erhalten hat, verbrauchte er für seinen fünfwöchigen Hotelaufenthalt (Fr 400.-), den Transport von Tonerde, Modellierscheibe und Modellierbock (Fr. 160.-), Parisergips, Bahnbillet, Ateliermiete, Heizung und diverse kleinere Ausgaben (Fr. 220.-) total Fr. 780.-. Die verbleibenden Fr. 20.- gibt er den Spendern zurück. Ein über die Spesenabdeckung hinausgehendes Honorar lässt sich nicht nachweisen.
Nur wenige Wochen nach Fertigstellung der Büste verstirbt Hans Huber an Weihnachten 1921.
Obwohl die Gipsbüste seit Januar 1922 in Roos‘ Atelier an der Sennheimerstrasse bereit steht, verzögert sich der Bronzeguss. Vermutlich weil hierfür und für den Sockel, auf dem die Büste zu stehen kommen soll, erst wieder Geld aufgetrieben werden muss – so dass die Einweihung, wie eingangs erwähnt, am 5. November, also fast ein Jahr nach der Fertigstellung der Büste stattfinden kann.
Otto Roos lag ganz offensichtlich viel an diesem für ihn finanziell sicher nicht erspriesslichen Auftrag. Selbst kein aktiver Musiker war Roos mit Hubers Musik vertraut. 1901 nahm er als Jugendlicher an den Festlichkeiten zum Basler Bund von 1501 teil, für die Hans Huber die Festspielmusik geschrieben hatte:
Ich hatte während meines ganzen Aufenthalts
heisst es in seinen Erinnerungen an die Sitzungen in Locarno
immer wieder an 1901 zurückdenken müssen, als wir 14-Jährige in der Schule, zu Hause, auf der Straße und dort auf der Matte seine Lieder und Weisen gesungen haben.
Die Bronzebüste vor dem Eingang zur Cafeteria der Musik Akademie Basel hätte unserer Meinung nach eine fachkundige Reinigung nötig und eine neue Patinierung verdient.
Otto Roos, Dr. Hans Huber, 1921, Bronze. Musik Akademie Basel, vor dem Eingang zur Cafeteria
Foto: Stephan E. Hauser, 2019
Verwendete Quellen
Otto Roos, „Aus Hans Hubers letzten Tagen“, in: Der Basilisk, Sonntagsbeilage der National-Zeitung, 3. Jahrgang, Nr. 5, 5. Februar 1922.
Briefe im Nachlass des Künstlers, Depositum Riehen Gemeindearchiv
Basler Stadtbuch
https://www.musik-akademie.ch/de/ueber-uns/geschichte.html
Quelle Fotografie von Hans Huber: www.klassika.info/Komponisten/Huber/Bild.png