März 2020

Otto Roos, Entwurf für einen Brunnen, Motto: Einfach, 1926, Modell 1:10, Gips, Holz, 30 x 39 x 51.5 cm.

H. Rüetschi AG, Aarau

Foto Simeon Jankovic

 

Zu den Projekten im öffentlichen Raum, die Otto Roos nicht verwirklichen konnte, gehört sein Entwurf für einen Brunnen (Planschbrunnen) in der Hofanlage der Wohngenossenschaft Gundeldingen von 1926.

Dabei handelte es sich um einen engeren Wettbewerb, der also nicht ausgeschrieben worden war, sondern zu dem vier ausgewählte Künstler eingeladen worden waren: Otto Roos, Louis Weber, Paul Wilde und Alexander Zschokke. Zur Ausführung gelangte der Beitrag von Paul Wilde.

Wie seine drei Mitbewerber lieferte Otto Roos die drei von der Wettbewerbsordnung (1926, S. 6) verlangten Modelle, nämlich

1 Modell 1:10 des ganzen Brunnens

Otto Roos, Entwurf für einen Brunnen, Motto: Einfach, 1926, Modell aus Gips und Holz, 30 x 39 x 51.5 cm.

H. Rüetschi AG, Aarau

Foto Simeon Jankovic

 

1 Modell der Brunnenplastik mit Sockel 1/3 natürlicher Grösse,

Otto Roos, Entwurf für eine Brunnenfigur für die Ausführung einer Plastik in Stein zu einem Brunnen (Planschbrunnen) in der Hofanlage der Wohngenossenschaft Gundeldingen, Motto: Einfach, 1926, Modell 1:3, Gips, 34 x 40 x 22.5 cm

Privatbesitz Basel

Foto: Stephan E. Hauser

 

sowie ein Détail natürlicher Grösse der Brunnenplastik

Otto Roos, Entwurf für eine Brunnenfigur für die Ausführung einer Plastik in Stein zu einem Brunnen (Planschbrunnen) in der Hofanlage der Wohngenossenschaft Gundeldingen, Motto: Einfach, 1926, Modell 1:1, Gips, 66 x 64 x 50 cm.

Privatbesitz Göschenen

Foto Simeon Jankovic

 

Die Eingaben waren, wie bei Wettbewerben des Staatlichen Kunstkredits üblich, anonym und nur durch ein vom jeweiligen Künstler vergebenes Motto bezeichnet. Roos nannte seine Eingabe, eine dem Nutzungszweck des Brunnens angepasste, formal reduzierte, moderat modernistisch gestaltete Quellnymphe, „Einfach“.

Im Jurybericht der Wettbewerbe unter Künstlern 1927 des Staatlichen Kunstkredits heisst es dazu lapidar:

Zu pathetisch und im Thema für den Ort nicht geeignet. Anerkannt werden die bildhauerischen Qualitäten.

Auch die Eingaben „Erdmunde“ (von Alexander Zschokke) und „Brunnenplastik“ (von Louis Weber) wurden als nicht geeignet abgelehnt.

Aus der Stellungnahme der Jury zu Zschokkes Arbeit geht nur undeutlich hervor, was dargestellt war –

Ein Vorzug ist die unmonumentale Haltung. Aber die Figur ist kleinplastisch-statuettenhaft und als Sujet ebenfalls für den Ort ungeeignet.

Im 1974 erschienenen Werkverzeichnis der Plastiken von Alexander Zschokke findet sich kein Hinweis auf eine entsprechende Brunnenfigur. Man kann aber annehmen, dass es sich um eine Aktfigur handelte, was die Jury für diesen Ort offensichtlich auf keinen Fall wollte.

Dies lässt sich zumindest indirekt aus dem ablehnenden Bescheid der Jury zu Louis Webers „Brunnenplastik“ herauslesen:

Als Komposition von starker monumentaler Wirkung. Plastisch kräftig, aber mehr in Holz als in Stein gedacht. Die einseitige Orientierung nur nach vorne berücksichtigt den Blick von den Häusern der Hofrückseite her nicht. Das Thema, Mutter und Kind, ist an sich sehr sympathisch, aber spielende Kinder dürften, wie für eine nackte Frau, so auch für eine kindhaltende Mutter kaum Interesse haben.

Den Zuschlag erhielt Paul Wilde, der unter dem Motto „Grün“ eine Hirschkuh mit Kälbchen vorschlug. Im Jurybericht heisst es dazu:

Die Breitstellung des Muttertieres schliesst den Hof sehr glücklich ab und gibt doch zugleich der Rückenansicht die gleiche Bedeutung wie der Vorderansicht. Besonders fein ist die Andeutung der Längsrichtung des Hofes in der Stellung des Jungtieres. Plastisch eine sehr feine, empfindungsvolle Arbeit. Im Thema für die spielenden Kinder ganz besonders richtig und reizvoll.

Paul Wilde, Wohngenossenschafts-Brunnen „Hirschkuh mit Kälbchen“, 1926, Bronze.

Gundeldingerstrasse 325-351, Im Hofgarten, Basel

Foto: Internet

 

Wahrscheinlich hatte es Otto Roos nicht mehr gewagt, ausgerechnet für einen Planschbrunnen mit einer Tierplastik zum Wettbewerb anzutreten, nachdem er 1925 mit einem Pinguin für einen Brunnen im Hof des Pestalozzischulhauses, also für einen ebenfalls an Kinder adressierten Brunnen, gescheitert war.

Otto Roos, Pinguin, Gipsabguss nach dem definitiven Tonmodell, 1925, Masse unbekannt.

Aktueller Standort unbekannt

Foto: Fotoalbum Roos

 

Dabei hätte er diesmal wahrscheinlich den Nerv getroffen – und wird sich bei aller Sympathie für den glücklichen Mitbewerber doch grün und blau geärgert haben als bekannt wurde, welche Eingabe das Rennen gemacht hat.

Jahre später wäre es übrigens fast zu einem Guss gekommen. Denn der damalige Besitzer des Modelles „1/3 natürlicher Grösse“, August Roos, erkundigte sich 1952 bei der Glockengiesserei Rüetschi AG in Aarau nach den Kosten für einen Bronzeguss, verzichtete dann aber aufgrund des genannten Preises auf die Ausführung(Quelle: Rüetschi Firmenarchiv, Korrespondenz-Ablage von 1910-, Basel A-Z).

Otto Roos war das Thema aber sichtlich lieb und teuer.

1930 fertigte er eine deutlich an die Brunnenfigur angelehnte Kleinplastik mi den bescheidenen Abmessungen von H 12 x B 16.3 x T 8.5 cm einschliesslich der Plinthe.

Otto Roos, Weiblicher Akt / Liegende, 1930, Gipsabguss nach dem definitiven Tonmodell.

Aktueller Standort unbekannt

Foto: Auktionskatalog Dobiaschofsky Bern, 8 Mai 2019, Los 2202 (nicht verkauft)

 

von der er mindestens drei Abgüsse herstellen liess, …

Otto Roos, Weiblicher Akt / Liegende, 1930, Bronze gegossen, auf Holzsockel montiert.

Aktueller Standort unbekannt

Foto: Fotoalbum Roos

 

… von denen aber bislang kein einziger lokalisiert werden konnte.

Und auch das kleine undatierte Relief einer weiblichen „Figur mit einem Füllhorn“ nimmt das Motiv noch einmal auf.

Otto Roos, Kleine weibliche Figur mit Füllhorn, undatiert, Gipsabguss nach dem definitiven Tonmodell, 14 x 23.5 x 2.5 cm.

H. Rüetschi AG, Aarau

Foto: Stephan E. Hauser

 

Die Kleine weibliche Figur mit Füllhorn ist bislang in vier Bronzeabgüssen nachgewiesen.

Otto Roos, Kleine weibliche Figur mit Füllhorn, undatiert, Bronze gegossen, 14 x  23.5 x 2.5 cm.

Erbengemeinschaft Otto Roos (abgebildetes Exemplar)

Foto: Astrid Sedlmeier